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Gut für’s Klima, gut für die Region: Pilze aus Wittenhagen

Verschiedene Speisepilze

Die Geschichte ist schnell erzählt: Andreas Elsholz, ehemaliger Betriebsleiter einer Großfleischerei in NRW, verliebt sich ins Meer, zieht an die Eastcoast. Angekommen, baut er eine Speisepilzzucht in Wittenhagen im Landkreis Vorpommern-Rügen auf. „Ich wollte noch einmal etwas ganz anderes starten im Alter“, erklärt er im Fernsehen. Er nutzt die Gebäude einer ehemaligen Parkettfabrik, die vielen in der Region noch ein Begriff ist. Neben den Pilzen bietet Elsholz auch Produkte wie vegetarische Quiches mit Pilzen, Pilze in Aspik oder herzhafte Pilz-Bouletten an, alles raffiniert gewürzt und ansprechend zubereitet; der Mann versteht etwas von seinem Handwerk. Vor allem kann er die gesundheitlichen Vorzüge seiner Produkte, die sich gerade für eine fleischarme oder fleischlose Ernährung eignen, überzeugend und gewinnend vermitteln.

Wohl nicht zuletzt deshalb kommen die Pilze gut an auf Wochenmärkten, im eigenen Hofladen und zunehmend auch in der Gastronomie. Auf den Wochenmärkten stehen Junge wie Ältere Schlange, probieren, kaufen, kommen wieder, werden zu Stammkunden und bringen weitere Kunden mit. Bei der Regionalproduktemesse im Oktober 2019 in Greifswald war der Pilz-Verkaufswagen schon zur Mittagszeit leergekauft, neue Ware musste aus Wittenhagen herangeschafft werden. Nachdem der NDR berichtet hat, steht das Telefon nicht mehr still. Es ist, als hätte die Region auf die Edelpilze aus Wittenhagen gewarten. Eine Erfolgsgeschichte.

Was können wir daraus lernen?

1.) Mecklenburg-Vorpommern ist für Food-Entrepreneure und -Aktive aus anderen Regionen  attraktiv. Hier sind Freiräume und Potenziale vorhanden, die es so anderswo längst nicht mehr gibt. Das Land tut gut daran, die vorhanden Beispiele einer kleinteiligen, qualitätsorientierten Lebensmittelwirtschaft – interessante Betriebskonzepte, traditionsreiche und moderne Manufakturen, altes und neues Lebensmittelhandwerk, innovative Produkte, neue Formen der Direktvermarktung online wie offline, solidarische Modelle der Stadt-Land-Beziehung wie Solawis und Food-Coops – besser nach innen wie nach außen hin sichtbar zu machen.

2.) Die Kleinen sind mindestens so wichtig wie die Großen. – Gewiss, jeder Wirtschaftsförderer träumt von der Neuansiedlung großer Unternehmen. Doch auch kleine und mittlere Betriebe sind oftmals vielfach innovativ, findig und sogar resilienter. Die lokale Wertschöpfung und die ökologischen und sozialen Mehrwerte können beachtlich sein, und sie sind vor Ort direkt sichtbar und wirksam. In Produkten der kleinen und mittleren Betriebe der Landwirtschaft und der Lebensmittelwirtschaft lebt die Region – Terroir, Heimat, wie auch immer. Das hat positive Effekte bis hinein in den Tourismus.

3.) Der Erfolg der Pilze aus Wittenhagen vermittelt uns im Kleinen eine Ahnung davon, wohin der gesellschaftliche Trend geht: Gesundheit, Ökologie, Tierschutz und Klimaschutz werden wichtiger. Immer mehr Menschen legen Wert auf bessere Lebensmittel, und es zählt nicht mehr nur billig. Für viele muss nicht mehr jeden Tag Fleisch auf dem Teller liegen, und wenn, dann keines aus der Massentierhaltung.

Hier eröffnen sich ganz neue Chancen für Regionalprodukte, für hochwertige, gesunde Erzeugnisse aus bäuerlicher Landwirtschaft und respektvoller Tierhaltung, aus dem qualitätsbewußten Lebensmittelhandwerk und nachhaltiger Gastronomie.

Unsere Esskultur verändert sich, und der Wandel wird tiefgreifender sein als manche bislang ahnen. Auch im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern. Die Pilze sind erst der Anfang.

Pilzhof Wittenhagen
NDR-Nordmagazin über den Pilzhof Wittenhagen (3 min)