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Brotgetreide bio und regional – Beispiel Rügen

Brot der Bäckerei Horn in Binz auf Rügen, Brote im Anschnitt

Konditorei und Bäckerei Horn im Ostseebad Binz zählt zu den kleinen Bäckereien auf der Insel Rügen. Der Familienbetrieb, der sich selbst als »Generationenbäckerei« versteht, existiert bereits seit 1927.

Neben dem Bäckereichef Andreas Horn ist auch schon die nächste Generation in der Backstube tätig: Sohn Sebastian führt das Handwerk weiter, und Vivian, die Schwiegertochter, verkauft ebenso kundig wie leidenschaftlich die hauseigenen Brot- und Backwaren.

Betritt man über einige wenige Treppenstufen den Verkaufsraum der Bäckerei in Binz, spürt man: hier dreht sich ganz viel um Tradition. Abseits des touristischen Rummels im Ostseebad können sich in der Bäckerei vor allem die alteingesessenen Kundinnen und Kunden aus dem Ort angesprochen fühlen. Viele, die hier einkaufen, kommen schon seit Jahren, und sie kommen über das ganze Jahr, nicht nur in den Sommermonaten wie die Urlaubsgäste, und sie bleiben auch gerne mal etwas länger auf einen Kaffee oder einen Schnack.

Ganz anders die helle, moderne Horn-Filiale im nahegelegenen Prora, wo sich vom Frühjahr bis weit in den Herbst hinein tausende Urlaubsgäste in zahlreichen Ferienapartments aufhalten, die in der Frühe gebackene Brötchen zum Frühstück wollen und nachmittags Kuchen.

Zukunft des Backhandwerks

Bäckereien wie die Horns haben es heutzutage nicht leicht. Ein erheblicher Teil der Kundschaft, die über viele Jahre die Treue gehalten hat, kommt altersbedingt weniger. Sobald die Jüngeren die Einkäufe und Besorgungen übernehmen, spielt die langjährige emotionale Bindung an eine örtliche Bäckerei eine geringe Rolle. Und wenn es egal ist, wo das Brot herkommt, dann zählt vor allem der Preis. Der ist in den Discountern und im Vorkassenbereich der Supermärkte bekanntlich besonders niedrig.

Die Konditorei und Bäckerei Horn steckt deshalb in einem Dilemma, in dem sich viele vergleichbare Bäckereien befinden. Einerseits kann und will sie die ältere Kundschaft nicht verprellen. Zugleich muss sie aber auch für weitere Zielgruppen attraktiver werden – nicht zuletzt mit neuen, unverwechselbaren Broten und Backwaren, mit Qualität und Geschmack.

Nachfrage nach Regionalem wächst

Die Horns haben zudem genau registriert, dass immer mehr Kundinnen und Kunden – nicht nur Urlaubsgäste – nach »Regionalem« fragen und wissen wollen, wo das Getreide, wo das Mehl herkommt. Zugleich werden originelle, geschmacksintensive Dinkel-, Roggen- oder Weizenbroten nachgefragt. Diese Kundengruppen sind zugleich bereit und in der Lage, mehr Geld für hochwertige Backwaren auszugeben.

Hier eröffnen sich den Horns neue Spielräume und Chancen. Neben den Broten, die die alteingesessene Kundschaft gerne kauft, sollen mit charakterstarken Vollkorn-Dinkel- und Roggenbroten neue Käufergruppen angezogen werden.

Bereits die letzten Sommer haben die Horns gute Erfahrungen mit hochwertigen, durchaus auch höherpreisigen Frühstücksangeboten in den Filialen, die mit Qualitätsprodukten – teils Bio – von Erzeugern aus der Region punkten können (wie z.B. Käse aus einer nahegelegenen Hofkäserei oder den hausgemachten saisonalen Aufstrichen).

Bio und regional mit kurzen Lieferketten

Für ihre neuen Angebote haben sich die Horns nach Brotgetreide bzw. Mehl aus der Region umgesehen und arbeiten nun mit einem Projekt zusammen, das aus dem Bundesprogramms Ökolandbau (BÖL) finanziert ist. Das Getreide wird im Unesco-Biosphärenreservat im Südosten der Insel Rügen auf extensiv bewirtschafteten Flächen angebaut, die sich von den Großflächen der herkömmlichen Landwirtschaft, die auch auf Rügen dominiert, wohltuend unterscheiden. In der Nähe gereinigt, gelangt das Getreide in die Backstube der Bäckerei Horn.

Die neuen Vollkorn-Brote, die zweimal die Woche in Binz gebacken werden, verkaufen sich gut, und sogar die Kuchen aus Vollkornmehl kommen an. Mit transparenter Regionalität, Qualität und gutem Geschmack gelingt es der Bäckerei Schritt für Schritt, neue Kundinnen und Kunden anzusprechen. Aber auch ein erheblicher Teil der ortsansässigen Bevölkerung hat verstanden: Ja, regional mag teurer sein, aber die Wertschöpfung bleibt vor Ort und bietet bestehenden Betrieben neue Chancen für die Zukunft, schafft vernünftig bezahlte Arbeitsplätze, belebt letztlich auch Städte und Gemeinden.

Jetzt ist es Frühjahr. Die neuen Brote laufen gut, bald füllen sich die Ferienwohnungen und Hotels auf Rügen, und mit den Urlaubsgästen geht erfahrungsgemäß auch noch einmal die Nachfrage nach oben. Die Nagelprobe beginnt im Herbst. Wird das Angebot über die Wintermonate, also auch nach der touristischen Hauptsaison, Bestand haben?

Wir sind optimistisch und drücken die Daumen!

Generationenbäckerei Horn
Hauptstr. 15, 18609 Ostseebad Binz
Öffnungszeiten: Tägl. 7–17 Uhr, Dienstag Ruhetag

Zukunft machen in Tribsees

Die Stadt Tribsees war Ort des Projekts »Tribsees‘ Zukunft machen«, mit dem der Künstler Ton Matton mit den Bewohner:innen, Jung wie Alt, und einem internationalen Kreis von Studierenden der Hochschule Linz über viele Monate Zukunftskonzepte durchgespielt hat.

Zum Abschluss des Großprojekts gab’s Ende Juli 2021 an mehreren Tage kulinarische Stadtspaziergänge unter Beteiligung von Food-Affinen aus nah und fern, gleichermaßen anregend für Kopf und Bauch.

Die Rundgänge waren recht informativ und machten vielen Teilnehmenden, gerade jenen aus den Großstädten, Lust auf die kleine Stadt. Etliche waren auch schon neu zugezogen oder dabei, über einen Hauskauf nachzudenken.

Tribsees am Fluss Trebel, auf der Grenze von Meck und Pomm, hat ein bemerkenswert kompaktes, ansprechendes Stadtbild, hat aber auch viel Leerstand und Verfall. Drumherum die ausgedehnte Flußlandschaft und üppiges Grün. Es macht Freude, durch die Gassen der Stadt zu streifen, und es gibt dabei vieles zu entdecken.

Im Projektverlauf sind u.a. bereits ein neues, schmuckes Café entstanden und der Wasserwander-Rastplatz an der Trebel ist neu belebt worden. Das alte Kaufhaus, von dem niemand genau weiß, wem es gehört, soll auch künftig hin und wieder genutzt werden.

Die Stadt hat etwas, ist gut erreichbar und hat Potenzial – wer interessiert ist an einem kleinstädtischen Leben im Grünen, mag gerne vorbeischauen. Der Bürgermeister der Stadt freut sich.

Auch wenn es wohl das eine oder andere Mal geknirscht hat im Verlauf des Projekts, wie man so hörte, das Ganze hat sich offenkundig gelohnt.

Mehr solche Projekt im ländlichen Raum!

P.S. Jugendliche hatten sich für die Zukunft eine McDonalds-Filiale in der Stadt gewünscht. Die Studierenden der Kunsthochschule Linz bereiteten für sie den Trebel-Burger zu. Wahlweise mit Fleisch oder Tofu.

Weiterlesen
Kreatopia MV – Ton Matton
Bericht im NDR-Nordmagazin
Tribsees to table

Über Entrepreneure am Meer

Die Küstengebiete und Inseln im Osten von Mecklenburg-Vorpommern werden gerne als intakte Natur gesehen. Das ist durchaus nicht selbstverständlich, denn eine intensive konventionelle Landwirtschaft und ein immer noch anschwellender, automotorisierter Massentourismus setzen Natur und Umwelt im Nordosten zu. Immerhin, durch die Großschutzgebiete, die in den letzten Tagen der DDR geschaffen und über die politischen Umbrüche nach 1989 hinaus bewahrt werden konnten, verfügt die Region offensichtlich über starke ökologische Resilienzen.

Die Kehrseite davon ist: Der Nordosten, Vorpommern, wird als eine Art Naturreservat wahrgenommen, als leerlaufende Region ohne Menschen, als „Wolfserwartungsgebiet“ (wo doch der Wolf längst schon wieder heimisch ist). Hier gibt es Seeadler und Kegelrobben. Die spannenden Geschichten und interessanten Gesichter jedoch, über die es sich zu schreiben lohnt, gibt es hier nicht, sie finden woanders statt. Auch Reisebeilagen namhafter Medien geben diesem Klischee nach.

Genau hier setzt der Band „Vorpommern. Von Menschen und Machern am Meer“ mit Unternehmerporträts an, von der Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern im traditionsreichen Verlag Hinstorff in Rostock herausgegeben. Um es gleich vorweg zu sagen: Publikationen dieser Art laufen immer Gefahr, zu Werbebroschüren zu mutieren, weil sie Interessen und Eitelkeiten berücksichtigen müssen. Diese Klippe hat der Band umschifft.

Das Publikation liegt im Schnittpunkt aktueller Trends: Die Stimmen mehren sich, die das Leben und Arbeiten in den Großstädten nicht für das Nonplusultra halten. Ein Blick in die Zeitungen zeigt, die Provinz jenseits der Speckgürtel, das richtige, das „platte“ Land, erlebt derzeit eine Renaissance. Und die Idee, Arbeit und Leben besser in Einklang zu bringen, Work-Life-Balance, wird vielen Menschen wichtiger. Hinzu kommt die Digitalisierung, die Entfernungen schrumpfen lässt und Vernetzung und Kommunikation abseits der Metropolen in ganz neuen Maßstäben ermöglicht. Kurzum, das Land als Alternative zu den großen Städten wird in rasantem Maße attraktiver.

Die hier interviewten Entrepreneure sind zunächst denkbar undigital, sie beschäftigen sich mit dem Bau moderner Yachten und naturverträglicher Häfen, steuern große Segelschiffe, spinnen alte Handwerkstraditionen ins Heute weiter, managen Ausflugsflotten und Fischkutter und stellen hochwertige Lebensmittel her.

Alle diese Berufe und Gewerke sind nicht digital im Sinne von virtuell. Doch verbinden sich Handwerkskunst und althergebrachtes Know-how, die hier im Spiel sind, durchaus mit Hightech, nutzen modernste Lösungen zur Kommunikation, zur Fertigung, zur Steuerung von Maschinen und Anlagen, zur Navigation, zur Beschaffung und in der Logistik.

Vielleicht gehört dies zur Signatur des künftigen Arbeitens im Nordosten: praktisch produktiv, oft auch mit einer starken handwerklichen und erfahrungsbasierten Kompontente, zugleich aber auch bildungs- und wissensbasiert, zunehmend digital gestützt, hochtechnologisch und gobal vernetzt.

Dass das vorliegende Buch sich mit Unternehmerinnen und Unternehmern „am Meer“ beschäftigt kommt daher, dass es aus Mitteln des Projekts „South Coast Baltic“ der Europäischen Union gefördert wurde. Man kann es explemplarisch nehmen, es gäbe viele weitere Persönlichkeiten und Branchen, über die zu berichten wäre, darunter vor allem auch Jüngere und Frauen. Letztere sind in dem Band eindeutig unterrepräsentiert.

„Menschen und Macher am Meer“ illustriert die Region als Möglichkeitsraum, wo die Claims noch nicht bis in den letzten Winkel abgesteckt sind, wo Chancen noch nicht erkannt wurden und darauf warten, ergriffen zu werden.

Der Band zeigt etwas von der Vielfalt der Menschen im Nordosten, die oft nur auf den zweiten Blick sichtbar ist. Gerne hätte man noch mehr über die eine oder andere Persönlichkeit erfahren, ihre Motivation, ihr Umfeld. Hier hätte es dem Buch vielleicht gut getan, auf das Porträt zu setzen statt auf die flüchtige Form des Interviews. – Vielleicht in einem Folgeband!

Buch: Vorpommern. Von Menschen und Machern am MeerLars Herde 

Vorpommern. Von Menschen und Machern am Meer
120 Seiten, Rostock 2019

Hinstorff, 20 Euro